Schön, dass du wieder hier bist. Im dritten Teil unserer Serie „Meditation lernen“ gehen wir einen Schritt weiter: Es geht darum, deinen Geist zu schulen – nicht durch Kontrolle, sondern durch Präsenz. Wenn du Teil 1 sowie Teil 2 gelesen – was ich dir sehr empfehle – und vielleicht schon erste Erfahrungen mit Atemübungen und Konzentration gemacht hast, weißt du: Es ist gar nicht so leicht, sich nicht von den eigenen Gedanken mitreißen zu lassen.
Ich erinnere mich noch gut an meine Anfangszeit. Mein Kopf war ein einziger Jahrmarkt – Gedanken hüpften wie wild durcheinander, und ich war mittendrin. Loslassen? Von wegen. Doch mit der Zeit veränderte sich etwas. Nicht über Nacht – aber spürbar. Heute gelingt es mir oft, einfach zu beobachten. Nicht perfekt. Aber ehrlicher. Und genau darum geht es: Nicht aufzuhören, sondern dran zu bleiben.
In diesem Artikel erfährst du:
Warum Disziplin in der Meditation kein Zwang, sondern eine Einladung ist
Wie du deinen Geist sanft zurückholst – statt ihn zu zwingen
Warum Achtsamkeit im Alltag der Schlüssel zur Stille sein kann
Und welche kleinen Übungen dir helfen, im Moment anzukommen

1. Der „Monkey Mind“ und was er mit dir macht
Wenn du schon ein paar Mal meditiert hast, kennst du ihn bestimmt: diesen rastlosen, plappernden, hyperaktiven Geist, der von einem Gedanken zum nächsten springt – wie ein Affe, der nie stillsitzen kann. In der buddhistischen Lehre wird genau dafür der Begriff Monkey Mind verwendet. Und der trifft es ziemlich gut.
Gerade zu Beginn der Meditationspraxis zeigt sich dieser Affe besonders deutlich. Sobald es still wird im Außen, wird es im Inneren laut. Gedanken, To-dos, Erinnerungen, alte Gespräche, Sorgen – alles scheint gleichzeitig aufzutauchen. Und obwohl du einfach nur sitzen und atmen willst, wirst du von deinem Verstand in alle Richtungen gezerrt.
Ich erinnere mich noch genau, wie schwer es mir am Anfang fiel, nicht mit diesen Gedanken mitzugehen. Ich war völlig identifiziert mit ihnen, konnte sie kaum loslassen. Es fühlte sich an, als wäre ich ihnen ausgeliefert – unfähig, Abstand zu gewinnen. Einfach nur da sein? Unmöglich.
Mit der Zeit wurde es besser. Nicht immer, nicht jeden Tag – aber immer öfter. Ich lernte, dass ich nicht jeder Gedankenbewegung folgen muss. Dass ich atmen kann – und beobachten. Dass es okay ist, wenn der Affe rumspringt. Ich muss ihn nicht zähmen. Ich muss nur lernen, ihn zu sehen – und trotzdem still zu bleiben. Diese innere Distanz – nicht als Abwehr, sondern als stilles Dasein – ist der erste Schritt zur geistigen Disziplin. Und es ist ein Weg, der mit jeder Übung leichter wird.
2. Disziplin ≠ Härte – sondern liebevolle Rückkehr
Wenn wir das Wort Disziplin hören, denken viele sofort an Strenge. An etwas, das mit Zwang, Kontrolle oder sogar innerem Druck zu tun hat. Doch beim Meditation lernen bedeutet Disziplin etwas ganz anderes. Es ist keine Härte – sondern eine Einladung, immer wieder sanft zurückzukehren. Zu deinem Atem. Zu dir. Zum Moment.
Jede Meditation ist im Grunde eine stille Verabredung mit dir selbst. Und wie in jeder Beziehung gibt es Tage, an denen es leichter fließt – und Tage, an denen es zäh ist. Mal sitzt du da und spürst sofort Ruhe. Und mal ist da nur Unruhe. Gedanken. Widerstand. Langeweile. Zweifel. Aber genau in diesen Momenten zeigt sich deine Praxis.
Wahre geistige Disziplin besteht nicht darin, still zu sitzen wie ein Zen-Meister. Sondern darin, freundlich mit dir selbst zu bleiben, wenn du innerlich längst abgedriftet bist. Den Fokus wieder sanft zum Atem zu bringen – zum hundertsten Mal, wenn es sein muss. Nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe. Diese Art der Disziplin ist weich – und gleichzeitig kraftvoll. Denn sie formt einen Geist, der präsent bleibt. Nicht perfekt. Aber wach. Offen. Mitfühlend. Und das verändert nicht nur deine Meditationspraxis, sondern auch deinen Alltag.
3. Gedanken kommen lassen, statt sie bekämpfen
Wenn du Meditation lernen willst, wird es einen Moment geben – oder viele –, in denen du glaubst, du machst alles falsch. Der Kopf ist voll. Die Gedanken sind laut. Und du fragst dich: Ist das wirklich Meditation?
Die Antwort lautet: Ja.
Denn genau hier beginnt die eigentliche Praxis. Nicht dann, wenn du still sitzt und alles perfekt läuft. Sondern dann, wenn du mitten im Gedankenchaos sitzt – und nicht fliehst. Sondern bleibst. Spürst. Beobachtest.
Es geht nicht darum, Gedanken zu stoppen. Du kannst deinen Verstand nicht einfach abschalten wie eine Maschine. Aber du kannst lernen, nicht alles zu glauben, was er dir erzählt. Gedanken sind nicht die Wahrheit. Sie sind Ereignisse im Bewusstsein – nicht mehr, nicht weniger.
Und je öfter du dich nicht in sie verstrickst, sondern sie einfach kommen und gehen lässt, desto ruhiger wird es mit der Zeit. Nicht weil die Gedanken aufhören. Sondern weil du aufhörst, ihnen ständig zu folgen. Diese innere Haltung verändert alles. Nicht auf Knopfdruck. Aber Schritt für Schritt.
„Gedanken sind wie Wolken – du musst ihnen nicht hinterherlaufen. Du kannst einfach den Himmel beobachten.“
(Sinngemäß nach Jon Kabat-Zinn)
4. Die Kraft des Atems: Dein Anker im Moment
Wenn alles um dich herum turbulent wird – innerlich wie äußerlich – dann ist der Atem oft das Einzige, was verlässlich bleibt. Er ist immer da. Er kommt. Er geht. Ohne dass du etwas dafür tun musst. Und genau deshalb ist er ein idealer Anker, wenn du Meditation lernen willst.
Der Atem ist der Moment in seiner reinsten Form. Du kannst ihn nicht im Gestern atmen. Nicht im Morgen. Nur jetzt. Wenn du dich also auf deinen Atem konzentrierst, kehrst du automatisch zurück – zu dir, in die Gegenwart, ins Spüren.
Ich nutze den Atem oft auch im Alltag: beim Zähneputzen, beim Warten an der Ampel oder sogar beim Gehen. Es reicht ein Moment der bewussten Wahrnehmung – ein Einatmen, ein Ausatmen – um aus dem Gedankenstrom auszusteigen und wieder anzukommen.
Besonders hilfreich finde ich das in den Momenten, in denen der Monkey Mind wieder besonders aktiv ist. Wenn ich merke, dass mein Kopf voller Stimmen ist, richte ich meine Aufmerksamkeit ganz gezielt auf den Atem. Manchmal hilft mir auch ein innerer Satz wie:
während dem Einatmen: „Ich atme ein…“, während dem Ausatmen: „ich atme aus…“, während einer kurzen Atempause: „ich bin.“
Klingt simpel. Aber wirkt.
Je häufiger du das übst – auf dem Meditationskissen und im Alltag – desto stabiler wird deine innere Präsenz. Und desto leichter fällt es dir später, tiefer in die Stille einzutauchen.
5. Achtsamkeit im Alltag: Dein Trainingsfeld für die Stille
Viele denken, Meditation lernen bedeutet, sich täglich 30 Minuten auf ein Kissen zu setzen und den Geist zu disziplinieren. Aber die Wahrheit ist: Der beste Ort, um Achtsamkeit zu üben, ist oft nicht das Meditationskissen – sondern der Alltag.
Dein Tag ist voll von Möglichkeiten, im Moment anzukommen. Du musst sie nur sehen. Hier ein paar Beispiele, wie du Achtsamkeit im Alltag ganz praktisch üben kannst – nicht zusätzlich, sondern mitten im Leben:
Beim Essen
Wie oft essen wir im Autopilot-Modus? Der Teller ist leer – und wir erinnern uns kaum an den Geschmack. Probier es mal anders: Iss eine Mahlzeit heute ganz bewusst. Spüre die Textur, schmecke wirklich, was du da gerade kaust. Nimm wahr, wann du satt bist. Und beobachte, wie dein Körper reagiert, wenn du präsent bist beim Essen.
Beim Zähneputzen
Zwei Minuten morgens und abends – perfekte Mini-Meditationen. Statt gedanklich schon im nächsten Termin zu hängen, spüre, wie sich die Borsten anfühlen, wie das Wasser über deine Lippen rinnt, wie sich dein Atem dabei verändert. Das ist gelebte Präsenz.
Beim Zuhören
Achtsamkeit zeigt sich nicht nur in der Stille – sondern auch im Gespräch. Wenn dir jemand gegenübersitzt: Bist du wirklich da? Oder überlegst du schon, was du als Nächstes sagen willst? Versuch, ganz beim anderen zu sein. Nicht nur mit den Ohren, sondern mit deinem ganzen Sein.
Das Tolle ist: Je öfter du solche Alltagssituationen bewusst gestaltest, desto leichter gelingt es dir, auch in der Meditation zu bleiben – bei dir, im Moment, in der Stille. Achtsamkeit ist wie ein Muskel. Du kannst ihn überall trainieren.
6. Zwei kleine Übungen für deinen Alltag
Manchmal sind es nicht die großen Meditationserfahrungen, die den Unterschied machen. Sondern die kleinen, stillen Momente, in denen du dich selbst wieder spürst. Deshalb hier zwei einfache, aber wirkungsvolle Übungen, mit denen du deine mentale Disziplin im Alltag stärken kannst:
1. Achtsam essen – mit allen Sinnen
Diese Woche lade ich dich ein, eine Mahlzeit am Tag ganz bewusst zu genießen – ohne Handy, ohne Gespräche, ohne Ablenkung.
So geht’s:
Setz dich hin, nimm dir Zeit.
Schau dir dein Essen genau an. Rieche daran. Spüre die Textur.
Nimm jeden Bissen langsam in den Mund.
Kauen – schmecken – schlucken – atmen.
Wenn Gedanken auftauchen: Kein Problem. Bring deine Aufmerksamkeit einfach sanft zurück zum Essen.
Du wirst merken, wie sich deine Beziehung zum Essen verändert – und wie viel präsenter du im Alltag wirst.
2. Meditatives Tun: Eine Alltagsaufgabe achtsam erledigen
Wähle eine Tätigkeit, die du sonst eher nebenbei machst – etwa Zähneputzen, Geschirr spülen, Staubsaugen – und mache sie heute zur Meditationsübung.
Dein Fokus:
Was spürst du in deinen Händen?
Welche Geräusche nimmst du wahr?
Wie bewegt sich dein Körper dabei?
Was macht dein Atem?
Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit ganz bei dem, was du gerade tust. Nicht bewerten. Einfach nur da sein. Einatmen. Ausatmen. Tun.
Diese Übungen sind nicht nur Ergänzungen zur Meditation – sie sind Meditation. Kleine Anker, die dich im Strom des Tages immer wieder zurückholen. Und sie helfen dir, mentale Disziplin nicht nur zu trainieren, sondern zu verkörpern.
7. Fazit: Mentale Disziplin als Weg – nicht als Ziel
Wenn du Meditation lernen willst, wirst du schnell merken: Es geht nicht darum, etwas zu erreichen. Kein leerer Kopf. Keine perfekte Stille. Kein Zustand für immer.
Es geht vielmehr darum, einen Weg zu gehen – mit dir selbst, mit deinem Geist, mit deinem Leben. Und dabei geduldig zu bleiben. Mitfühlend. Klar.
Mentale Disziplin bedeutet nicht, dass du keine Gedanken mehr hast. Sie bedeutet, dass du lernst, anders mit ihnen umzugehen. Sanfter. Wacher. Weniger verstrickt. Und genau diese Qualität kannst du in jedem Moment trainieren – ob auf dem Kissen oder beim Zähneputzen, beim Essen oder im Gespräch.
Du wirst dich immer wieder dabei ertappen, wie du abschweifst. Wie du nicht da bist. Wie du in Gedanken verloren bist. Und das ist vollkommen okay. Der entscheidende Moment ist nicht der, in dem du abschweifst – sondern der, in dem du es bemerkst und zurückkommst.
„Du solltest jeden Tag zwanzig Minuten meditieren – außer du bist zu beschäftigt. Dann solltest du eine Stunde meditieren.“
(Zen-Weisheit)
Diese Worte erinnern uns mit einem Augenzwinkern daran, wie sehr wir uns manchmal selbst im Weg stehen – und wie wichtig es ist, Prioritäten zu setzen. Auch (oder gerade) für die Stille.
Also: Bleib dran. Nicht perfekt, sondern präsent. Du wirst sehen – je öfter du dich auf diesen Weg einlässt, desto natürlicher wird er. Und desto mehr wirst du merken, dass die Disziplin deines Geistes nicht Einschränkung bedeutet, sondern Freiheit.
8. Weiterführende Impulse für deinen Start
Wenn du tiefer in das Thema einsteigen möchtest – etwa zu Buchempfehlungen, Apps und Tipps für den Einstieg – findest du am Ende von Teil 1 der Serie eine kompakte Übersicht.


